Wir sind alle 50! - Heuhotel Burghof Meisinger 2004

Jahrgangsrede zur Feier

Er war fruchtig, rassig und gut bekömmlich. Die Rede ist hier  wie könnte es anders sein  vom Jahrgang 1953/54. Nein nicht von uns, den Menschen, sondern dem Wein. Aber, gilt die Charakteristik des Weines von 1953 vielleicht nicht doch auch für uns Jahrgänger aus dem Jahre 1953? Wir glauben schon, aber ein endgültiges Urteil müssen wir anderen überlassen.

Was hat sich mit uns Jahrgängern, in Dudenhofen und mit der ganzen Welt zugetragen in den leider zu schnell vergangenen letzten 50 Jahren.

Mit der harten Realität mussten in diesen Jahren nicht nur wir Kinder uns auseinandersetzten. Die harte, grausame Wirklichkeit bekamen auch die Menschen in der ehemaligen Ostzone am 17. Juni 1953 zu spüren, als ihr Aufstand, ihr Protest gegen ständig gesteigerte Leistungsanforderungen gewaltsam niedergeschlagen wurde.

Geboren wurden wir in einer Zeit des Aufbruchs und des Aufbaus, einer Zeit, die aus einem kleinen, beschaulichen Städtchen eine geschäftige, moderne Stadt gemacht hat. Einer Zeit als Dudenhofen noch Dudenhofen und die Nachbargemeinden Jügesheim und Niederroden waren. Einer Zeit, die bestimmt war durch den Gegensatz katholisch und evangelisch.

Viele hauptberufliche Landwirte waren in unserer ländlich, fast bäuerlich orientierten Gemeinde tätig. Der soziale Fortschritt begann aber auch in Dudenhofen Einzug zu halten.

Fortschritte gab es auch in den Beziehungen zwischen Deutschland und den Siegermächten des 2.Weltkrieges. Diese erklärten 8 Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen den Kriegszustand mit Deutschland offiziell für beendet.

Im Alter von drei oder vier Jahren, also 1957 oder 1958 war der erste kleinere Einschnitt in unserem Leben zu verzeichnen. Nicht nur der enge Familienkreis und die nächste Nachbarschaft war von nun an für uns bedeutsam, sondern gleichaltrige Kinder, die wir im Kindergarten kennen gelernt haben. Damals waren die Dudenhöfer fast alle evangelisch. Es gab noch keine Katholische Kirche in Dudenhofen.

1957 signalisierte ein einfacher Piepton den Beginn eines neuen Zeitalters. Dieser einfache, unscheinbare Piepser kam aus dem Weltraum, von Sputnik 1, dem ersten von Menschenhand geschaffenen Satelliten. Damit war der schier unglaubliche technische Fortschritt der letzten Jahre für alle deutlich sichtbar geworden. Fortschritte gab es auch aus Rodgau zu melden. Die ersten Teerstrassen hielten Einzug, das Rollschuh fahren war nicht mehr so beschwerlich.

Für uns 53er brachte 1960 diese Zeit einschneidende Veränderungen mit sich. Nicht etwa, weil die Rodau geklärt wurde, (dies nützte uns recht wenig, war doch unser Hauptaufenthaltsgebiet zu jener Zeit nicht in der Nähe der Kläranlage, sondern hinter der Dreschscheune am Bach, oder an der Seligenstädter Chausse am Bach), sondern weil diese Zeit für uns mit der Einschulung verbunden war. Der größte Teil des Jahrgangs mußte nach dem Weißen Sonntag erstmals die Schulbank drücken.

Im Laufe der Jahre lernten wir viele verschiedene Lehrer kennen und durften nach einem Jahr die NEUE SCHULE – jetzige Polizeistation – und nach rund drei Jahren Schulzeit in die gerade fertig gestellte Freiherr-vom-Stein-Schule umziehen. Am besten in Erinnerung bleiben wohl die Lehrer der ersten Jahre, nämlich Vökler, Benz, Quell und Enders.

Es kamen katholischen Kinder mit in die Schule und die evangelischen machten die Erfahrung von Kommunion als die Kath Kirche dann gebaut war.

Im Sommer fuhren wir mit dem Fahrrad nach Babenhausen ins Schwimmbad, später auch mit dem Bus – aber dies durften nicht viele – es kostete ja Geld.

Im Winter, der damals noch sehr schneereich war, (die gute alte Zeit !!) vergnügte man sich an dem Dreschhalle-Buckel beim Schlitten fahren  - wenn man das so nennen konnte? Zu dieser Zeit wußten wohl noch wenige von uns, was ein Schlepplift ist. Der einzige war am Hoherodskopf und für viele  von uns schon eine Weltreise.

1962 stand die Menschheit knapp vor einem dritten Weltkrieg. Der erst im Jahr zuvor gewählte amerikanische Präsident Kennedy zwang mit einer Seeblockade die Sowjetunion von der Stationierung weitreichender Raketen auf Kuba abzusehen. Einige von uns haben zu jener Zeit am Verhalten der Erwachsenen gespürt, daß sich etwas Ernstes, Bedrohliches abspielt, ohne natürlich genau zu begreifen, in welch kritischer Lage sich die Menschheit befand. Ähnlich war es im Jahr davor, als in Berlin die Mauer gebaut wurde. Weitreichende, bis in unsere heutigen Tage hinein reichenden Entscheidungen wurden damals getroffen.

Auch wir, bzw. unsere Eltern standen vor wichtigen Entscheidungen. In welche Schule sollten wir nach Abschluß der Klasse 4 gehen? Zur Wahl stand die Volksschule, die Mittelschule oder das Gymnasium. Wie auch immer die Entscheidung ausfiel, für uns bedeutete sie das Ende einer guten, erlebnisreichen Klassengemeinschaft und langfristig die allmähliche Auflösung alter Freundschaften und damit eine Auseinanderdriften der bisher etwa jahrgangsmäßig orientierten Umgebung.

Damals schien die Zeit recht langsam zu vergehen, denn sehnsüchtig wartete man darauf, im Kino Filme anschauen zu können, die erst ab 16 Jahren freigegeben waren. Wir sehnten uns danach, so alt zu sein, gleichzeitig erschienen uns die Sechzehn bis Zwanzigjährigen als uralte Greise. In diese Zeit fällt für viele von uns das erste Schwärmen für das andere Geschlecht, das erste verliebt sein und damit natürlich die ersten schlimmen Enttäuschungen.

Die Klasse neun war zur damaligen Zeit in gerade frisch eingeführt.. Die Volksschüler mußten  der achten Klasse über ihren weiteren Lebensweg und damit vor allem über den künftigen Beruf entscheiden. Schon wieder hieß es, neue Beziehungen und Bekanntschaften aufzubauen. Aber für diejenigen, die nun eine Berufsausbildung machten, bedeutete dies auch, endlich über eigenes Geld zu verfügen. Dieses erste selbst verdiente Geld wurde von den meisten für Führerschein und Moped verwendet, neidisch beobachtet von jenen, die noch die Schulbank zu drücken hatten. Dudenhofen war zwischenzeitlich zu einem respektablen Stadt mit etwa 3000 Einwohnern herangewachsen.

Auf die Jungen  sie selbst bezeichneten sich als Männer  kam allmählich der Wehrdienst zu. Für viele einerseits keine erfreuliche Aussicht, bedeutete der Wehrdienst doch die zumindest zeitweise Trennung von der Freundin oder gar der Verlobten. Manch einem war 1967 durch den Sechstagekrieg zwischen Israel und Ägypten klargeworden, was Wehrdienst, was das Soldatsein im schlimmsten Fall auch bedeuten könnte. Andererseits bot der "Barras" für viele die Möglichkeit, sich wirklich von den Eltern zu lösen, eigene Wege zu gehen, ohne die ständige, als gängelnd empfundene Aufsicht durch die Eltern. Eigene Wege wollten wir gehen, frei und unabhängig sein, nicht gebunden und irgendwie oder zu irgend etwas verpflichtet. Gleichzeitig suchten wir den engen Schulterschluß zu Gleichaltrigen.

Für die Jahrgänger des Gymnsasium stand zu dieser Zeit die Entscheidung über den zukünftigen Studienort und die Studienrichtung an. Nicht leicht war diese Wahl unter dem Eindruck des Attentats auf den Studenten Rudi Dutschke (1968) und der Wissenschaftsbegeisterung nach der geglückten Mondlandung der Amerikaner im Jahre 1969, sowie der um 1970 einsetzenden Terrorwelle der sogenannten Rote Armee Fraktion. 1971, gerade stolze Besitzer des Führerscheines und vielleicht sogar eines Autos überraschte uns, wieder wegen eines Krieges im Nahen Osten 1973 die Ölkrise. Von unserem noch sehr bescheidenen Verdienst oder Taschengeld mußten wir uns das Geld für die enorm gestiegenen Benzinpreise für die sonntäglichen Spritztouren zusammensparen.

Terror auf der weltpolitischen Bühne, das Massaker bei den Olympischen Spielen 1972 in München, gleichzeitig der Friedensnobelpreis für den damaligen Bundeskanzler Brandt zeigen symbolisch die Vielfalt und Zerrissenheit der Welt, in der wir als rund Zwanzigjährige unseren Weg zu finden hatten. Die ersten von uns Jahrgängern wurden in dieser Zeit Mütter oder Väter und übernahmen damit eine riesige Verantwortung.

Konsequenterweise fielen in die Zeit von 1977 die ersten Bemühungen, in Dudenhofen den Jahrgang 1953/54 mit einem ersten Klassentreffen zusammen zu bringen. Dies sicher nicht nur, weil Jahrgangsfeste und Zusammenkünfte in Dudenhofen eine gute Tradition haben, sondern auch, weil tatsächlich bei vielen das Bedürfnis wuchs, mit ehemaligen Mitschülern und Spielgefährten in Verbindung zu bleiben oder erneut in Verbindung zu treten.

Erst mit der 35er Feier im Jahre 1988 traf man sich im Wanderclub Dudenhofen wieder, und seit dieser Zeit alle 5 Jahre mit einem grösseren Fest oder Ausflug und jedes Jahr an Kerbfreitag zum plauschen, wobei dies im Bistro Ces la Vis ja gar nicht möglich war.
Im letzten November  - man wird ja gesetzter – trafen wir uns in der Kaminstube TSV Dudenhofen, zu einem gemeinsamen Abendessen. Wenn Ihr alle nichts dagegen habt, bleibt es bis auf widerruf dabei. Das Essen war gut, erzählen konnten wir bis zum abwinken, und ein Absacker im Ces la Vis war auch drin.

Zum Schuß:
In großer Verantwortung stehen wir heute als Fünfzigjährige alle. Sei es für unsere Kinder die zum großen Teil bereits selbst erwachsen sind oder für unsere Umwelt und nicht zuletzt für uns selbst. Verantwortung für uns selbst bedeutet auch, unsere Beziehungen zu den Mitmenschen, mit denen wir ein Stück gemeinsam unseren Lebensweg gingen, nicht abbrechen zu lassen.

Möge unser diesjährige "Fünfzigerfest“ uns helfen, alte Verbindungen noch weiter  zu vertiefen und alte neu zu verknüpfen.

 PETRA HALLER   April 2004